Bei meiner Zusammenarbeit mit Musikern ist mir eine erschreckende Erkenntnis gekommen:
Viele Musiker wissen sehr wenig von den musikalischen Grundlagen die man nicht zwingend für die Arbeit in unserem Tonsystem benötigt!
Sicher hängt das mit einer Reihe von problematischen Aussagen zusammen, die in der Musiktheorie traditionell so gelehrt werden.
Es handelt sich um Aussagen, die sich aus unserem vereinfachten Tonsystem erklären, aber in Hinblick auf die Naturgesetze nicht haltbar sind:
Es gibt 12 Töne pro Oktave
Diese Zwölfteilung der Oktave mag eine besondere, auch natürliche Bedeutung haben, aber selbstverständlich gibt es unendlich viele Töne pro Oktave, denn wie viele Töne passen in zwei Halbtöne hinein?
Es geht aber um mehr: Denn ein Blick auf die Naturgesetze zeigt uns, dass all diese unendlich vielen Töne in eine bestimmte Ordnung gebracht werden können, dass also keiner dieser Töne falsch ist. Wenn wir also nur die Töne des Klaviers nutzen, verwenden wir nur einen winzigen Teil der eigentlich möglichen und sinnvollen Töne der Musik. Oder genauer: Wir ersetzen die vielen Töne durch einen Kompromisston.
Wir können die Töne der Musik viel besser mit den Sternen am Himmel vergleichen. Die Anzahl korreliert mit unserer Wahrnehmung. Wenn wir uns also mit 12 Tönen zufrieden geben, und nur diese gelten lassen zeigt das, dass wir uns der eigentlichen Großartigkeit und Schönheit der Musik nicht bewußt sind!
Quintenzirkel
Schon das Wort an sich ist so sehr problematisch: Quinten ergeben in ihrer ursprünglichen Form keinen Kreis oder Zirkel! Schichtet man von einem Grundton Quinten nach oben und nach unten, so treffen sie sich erst mal gar nicht. Nimmt man die Oktaven mit zur Hilfe, dann wird aus reinen Quinten nicht ein Zirkel, sondern eine Spirale.
Nur wenn der Mensch jede Quinte künstlich verkleinert wird aus der Spirale ein Zirkel.
Wir Menschen meinen, dass wir die Natur besser machen, wenn wir diese scheinbaren Unstimmigkeiten "zurechtbiegen". Aber diese scheinbaren Unstimmigkeiten eröffnen uns die Unendlichkeit. Dieses kleine sogenannte "Pythagoreische Komma" bewirkt, dass uns nur durch die Fortsetzung der Quintenspirale neue, ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Gleichzeitig erklärt sie, warum es in unserer Notation B's und Kreuze gibt.
Auch wenn die künstliche Korrektur der Quinten eine überschaubare Anzahl an Tasten am Klavier möglich macht, sollten wir uns der urspünglichen Unendlichkeit und der damit verbundenen eigentlich vorhanden Möglichkeiten wieder bewußt werden.
Es gibt keinen 2/3 oder 5/7-Takt
Ist diese Aussage wirklich richtig? Ich möchte anregen, darüber nachzudenken. Unsere Notenschrift setzt uns auch in Rhythmus enge Grenzen. Diese Grenzen liegen in unserer Notenschrift, nicht in der Musik! Tatsächlich nutzen wir bereits mehr Möglichkeiten, als wir denken, aber manches können wir uns nicht vorstellen, deshalb nutzen wir es nicht.
Häufige irreführende Aussagen:
Man hört kaum einen Unterschied zwischen einer reinen und einer temperierten Quinte.
Betrachtet man nur die Quinte ist diese Aussage richtig. Aber man spielt nie nur eine Quinte, es ergeben sich andere Intervalle, bei denen der Unterschied dann deutlich zu Tage tritt. Deshalb macht es durchaus einen deutlichen Unterschied, ob man mit reinen oder verkleinerten Quinten umgeht, weil wir in Zusammenhängen, in Gesamtsystemen hören.
Außerdem vergessen wir, dass wir in der Musik heute mit ganz anderen Intervallen umgehen und das sich die reine Terz über Quinten nicht darstellen lässt, ganz zu schweigen von Intervallen, wie der Naturseptime, die in ihrer Funkion bereits ein fester Bestandteil unserer Musik ist.
Grundschlag als Viertelnote
Wir haben uns daran gewöhnt, den Grundschlag im Rhythmus als Viertel zu bezeichnen und wir haben mit wenigen Ausnahmen keine Zeichen für die Vervielfältigung des Grundschlags. Das verstellt uns den Blick dafür, dass es in der Musik nicht nur Unterteilungen eines Schlages gibt, sondern auch die Vervielfältigung.
Unklarheiten:
Die Bezeichnungen der Intervalle (Prime=1, Sekunde=2, Terz=3 usw.) beziehen sich auf ein Tonsystem des Mittelalters. Sie helfen uns nicht, die eigentliche Natur der Intervalle zu verstehen. Letztendlich führen sie uns in die Irre und verhindern, dass wir die unendliche Vielfalt der Intervalle erkennen, auch wenn die Intervallebezeichnungen natürlich historisch ihren Sinn und ihre Berechtigung haben.
Selbst bei den Leuten, die viel mit reinen Intervallen umgehen, gibt es irreführende Konventionen: Die Obertöne werden mit Ganzen Zahlen bezeichnet (in Anlehnung an die Frequenzen), die Untertöne mit den Brüchen. Warum das aus meiner Sicht umgekehrt sein müsste, das werde ich an anderer Stelle erläutern.
Um ein Blick für die Wirklichkeit bekommen zu können, müssen wir uns zunächst von vielen Gewohnheiten und lieb gewordenen Konventionen verabschieden, denn nicht selten verstellen sie uns die Sicht auf das Eigentliche.